Die Organe der Aktiengesellschaften haben bei ihrem Handeln die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, um den aktienrechtlichen Anforderungen zu genügen. Diese Sorgfaltspflichten werden im sogenannten Neubürger Urteil (LG München I, 10. Dezember 2013) in Bezug auf Compliance-Verstöße konkretisiert, indem deutlich gemacht wird, dass Unternehmen so zu organisieren und beaufsichtigen sind, dass Gesetzesverstöße durch funktionierende Compliance-Systeme verhindert werden. Bestandteil eines solchen Compliance-Systems ist neben der Prävention auch die Reaktion auf eingetretene Fraud-Fälle, z.B. in Form einer Fraud Investigation. Die Ermittlungsergebnisse bilden oft die Grundlage für eine Vermögensrückführung, wodurch die gesetzlichen Vertreter ihrer Sorgfaltspflicht, vor allem bei signifikanten Schäden, in besonderer Weise gerecht werden können. Aus einer Vielzahl von Gründen wird eine Fraud Investigation nicht zwingend von staatliche Ermittlungsbehörden durchgeführt sondern auch durch Ermittlungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und/oder Rechtsanwaltskanzleien (sogenannte private Ermittlungen).
Mitunter finden staatliche Ermittlungen und private Ermittlungen auch parallel statt, da sie sich gegenseitig ergänzen können; dazu bedarf es jedoch einer engen Abstimmung. Private Ermittlungen können oftmals schneller stattfinden und sich stärker auf das Aufklärungsinteresse des Unternehmens konzentrieren, als staatliche Ermittlungen, und damit effektiv zur Vermeidung einer Organhaftung beitragen. Allerdings können staatliche Ermittler mit den Mitteln der Eingriffsverwaltung (z.B. Hausdurchsuchungen) in einzelnen Gebieten Untersuchungsergebnisse erzielen, die private Ermittler aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erzielen können. Ob private Ermittlungen staatliche ersetzen oder ergänzen, muss im Einzelfall abgewogen werden. Private Ermittlungen, um die es nachfolgend geht, dienen der Aufklärung von ganz verschiedenen Delikten im In- und Ausland. Hierzu zählen unter anderem Unterschlagungen, Korruption im Einkauf und Vertrieb, Kartelle, Embargoverstöße sowie Bilanzmanipulationen.
Methodisch kommen bei einer Fraud-Investigation unterschiedliche Untersuchungsmethoden zum Tragen, z.B. forensische Interviews, Massendatenanalysen, Belegprüfungen, Ermittlung von Verflechtungen natürlicher und juristischer Personen sowie IT-forensische Untersuchungen. Bei IT-forensischen Untersuchungen werden Daten, die sich auf Computern und Festplatten befinden, forensisch aufbereitet und ausgewertet.
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Die Ergebnisse der Fraud Investigations können forensisch dokumentiert und somit vor Gericht verwertet werden.
Abschließend kann festgehalten werden, dass Fraud Investigations durchgeführt werden, um im Sinne des betroffenen Unternehmens einen Anfangsverdacht hinsichtlich wirtschaftskrimineller Handlungen aufzuklären und die gesetzlichen Vertreter in die Lage zu versetzen, den entstandenen Schaden geltend zu machen. Der Schaden muss nicht zwingend von den Tätern direkt zurückgefordert werden, sondern die Schadenregulierung kann bspw. auch über eine Vertrauensschadenversicherung erfolgen. Im Sinne der Compliance-Pflichten sind die gesetzlichen Vertreter der Aktiengesellschaft außerdem gehalten, solche Schwachstellen im Rahmen von Remediation-Maßnahmen zu schließen, die den Eintritt des Verstoßes begünstigt haben.