Einleitung
Jüngst, am 09.03.2021, hatte das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sein Knowledge Paper zu „Green Bonds - Auf dem Weg zu einem verlässlichen Markt für grüne Anleihen“ veröffentlicht. Kurze Zeit später folgte am 12.03.2021 das Accountancy Europe mit seiner Veröffentlichung „Building a credible Green Bond Market- Considerations by the Accountancy profession”. Hierzu verweisen wir auf unseren News-Beitrag hier.
Die ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit der Unternehmen rücken sowohl bei Anlegern (Investoren) als auch beim Emittenten von Schuldtiteln in den Fokus. Dabei haben sich mehrere Standards etabliert, so z.B. die „Green Bond Principles“, bei den Mindestanforderungen an die Verwendung der Emissionserlöse gestellt werden.
In diesem Zusammenhang kann sich die Frage der Klassifikation von green bonds beim Investor nach IFRS 9 stellen, insbesondere wenn Darlehensbedingungen eine Abhängigkeit des Kapitaldienstes und somit der finanziellen Rückflüsse von Umweltmaßnahmen oder bestimmten ESG (environment,social, governance)-Metriken vorsehen.
Klassifizierung des green bond beim Investor nach IFRS 9
Finanzielle Vermögenswerte müssen im Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes in die für die Folgebewertung maßgeblichen Kategorien fortgeführte Anschaffungskosten (at amortised cost) bzw. beizulegender Zeitwert (fair value) klassifiziert werden (IFRS 9.4.1.1 und IFRS 9.5.1 ff.).
Die Klassifizierung in die (Bewertungs-)Kategorie fortgeführte Anschaffungskosten erfolgt nur dann, wenn kumulativ beide der folgenden Kriterien erfüllt werden (IFRS 9.4.1.2):
- Subjektive Bedingung: Das Ziel des Geschäftsmodells für die Gruppe der Vermögenswerte, zu welcher der betreffende Vermögenswert gehört, besteht im Halten der Vermögenswerte zur Realisierung der vertraglichen Geldflüsse.
- Objektive Bedingung: Die vertraglichen Be-stimmungen für den finanziellen Vermögenswert führen zu Geldflüssen an festgelegten Zeitpunkten, welche ausschließlich Zins und Tilgung (solely payments of principal and interest - SPPI) auf die ausstehende Kapitalsumme darstellen.
Die wahlweise Designierung in die Kategorie fair value through profit or loss ausgeklammert (IFRS 9.4.1.5) gilt, ist keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt, ist der finanzielle Vermögenswert zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren (IFRS 9.4.4).
Der Umfang zulässiger Tilgungszahlungen ist auf den fair value des Finanzinstruments im Emissionszeitpunkt und einen in der Folge durch (Teil-)Rückzahlung reduzierten Betrag begrenzt (IFRS 9.4.1.3(a)). Als Zinsen anerkannt wird ein (gegebenenfalls auch negatives) Entgelt für die Bereitstellung von Geld über einen bestimmten Zeitraum unter Berücksichtigung des Kreditrisikos (IFRS 9.4.1.3 (b)) und eines evtl. Liquiditätsrisikos (IFRS 9.BC29). Abreden zwischen den Parteien über künftige Zahlungen, die sich nicht unter die einzelnen Komponenten subsummieren lassen, stehen einer Kategorisierung als at amortised cost zu bewertendes Finanzinstrument entgegen. Eine (ausnahmsweise) Rückausnahme gilt lediglich für sog. de minimis Klauseln oder Bedingungen, die als not genuine anzusehen sind (IFRS 9.B4.1.18).
Die Ausklammerung für die bilanzielle Abbildung kann aber nicht über eine quantitative Beurteilung erfolgen, es ist auch qualitativ zu hinterfragen, warum eine vermeintlich irrelevante Klausel überhaupt in eine Vereinbarung aufgenommen wurde. Ist ohne eine quantitative Analyse keine Beurteilung möglich, scheidet ein Rückgriff auf die de minimis Ausnahme aus.
ESG-Metriken als zulässige Komponenten gem. SPPI-Kriterium?
Eine Kategorisierung als at amortised cost setzt den SPPI-Nachweis für den green bond bzw. den ESG-Metriken voraus. Besondere Bedeutung hat die Beurteilung der Zinsabreden. Eine Bindung der Zinshöhe an andere Risiken über ein weiteres (ESG-)underlying führt zu einer Variabilität, die dem SPPI-Nachweis entgegensteht (IFRS 9.B4.1.7A).
Eine Analogie zu – SPPI konformen (IFRS 9.B4.1.10) - Zinsanpassungsklausen (sog. ratchet-Klauseln) scheidet jedoch aus, da kein Zusammenhang bzw. Kausalität zwischen der Bonität und der Einhaltung von ESG-Metriken nachgewiesen werden kann.
Auch eine geringe Variabilität der Zahlungen aufgrund der Bindung des Kapitaldiensts schließt eine Kategorisierung at amortised cost aus, so lange die Berücksichtigung einer ESG-Metrik als underlying nicht als Bestandteil eines basic lending arrangement gilt. Die Bindung an ein ESG underlying stellt weder eine Kompensation für den time value of money noch das Kreditausfallrisiko, das mit dem ausstehenden Nominal des Instruments verbunden ist, dar. Für Elemente, die ein zusätzliches exposure to risks or volatility begründen, wird der SPPI-Nachweis daher ausgeschlossen (IFRS 9.B4.1.7A).
Auch der Versuch auf die de minimis Ausnahme abzustellen ist qualitativ kritisch. Dies würde unterstellen, dass die zwischen rational handelnden Parteien ESG-Klausel vermeintlich keine Bedeutung hätte. Die Aufnahme setzt eine Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner und damit einen Verhandlungsprozess voraus. Es kann also keine unbedeutende Bestimmung der vertraglichen Vereinbarung vorliegen, da bei rational handelnden Personen eine solche erst gar nicht aufgenommen wird.
Zusammenfassung
Die Emission von Fremdkapitalinstrumenten kann unter Bindung des Kapitaldiensts an die Entwicklung einer ESG-Metrik erfolgen, ist aber (noch) nicht typisch für ein basic lending arrangement. Änderungen des Kapitaldiensts aufgrund der Entwicklung eines ESG underlying lassen sich daher nicht unter den zulässigen Komponenten, die als solely payments of principal and interest gelten, subsummieren. Das Zahlungsstromprofil eines green bond verstößt gegen die objektive Bedingung für eine Kategorisierung at amortised cost, in der Konsequenz ist eine(Folge-)Bewertung zum fair value geboten.
*Literaturhinweis: Angelehnt an Freiberg, PiR 1/2021, S. 32f.