Versicherungsteuer-Update: Neues BMF-Schreiben vom 07.09.2021 betreffen Versicherung von im Drittland belegenen Betriebsstätten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG)

Es wird auch eine Abgrenzung zur Versicherung von im Drittland belegenen Konzerngesellschaften vorgenommen.

Eine derartige Klarstellung war erforderlich, da das BMF-Schreiben zu § 1 VersStG n.F. vom 04.03.2021 einige Aspekte aus diesem Themenkreis nicht hinreichend klar beleuchtet hatte, woraufhin sie in der Branche weiterhin kontrovers diskutiert wurden. Wir berichteten hier und hier.

Da die Änderungen von § 1 VersStG durch das Versicherungsteuerrechts-Modernisierungsgesetz bereits ab dem 10.10.2020 anzuwenden sind, sind auch die Auslegungen und Vorgaben durch das neue BMF-Schreiben zeitlich entsprechend zu beachten.

Im neuen BMF-Schreiben werden im Wesentlichen folgende Aspekte thematisiert:

In Tz. II des BMF-Schreibens wird klargestellt, dass § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG systematisch folgende versicherte Risiken umfasst:

  • Das Risiko ist in einem Drittland belegen und
  • der VN ist in Deutschland ansässig.
  • Der sog. materielle VN (§ 1 Abs. 5 VersStDV) ist insoweit nicht relevant. Dies ergibt sich auch bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 5 VersStDV.

In Tz. III wird klargestellt, dass der Auffangtatbestand gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 VersStG nicht anwendbar ist auf die Versicherung von Risiken oder Gegenstände gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG, seine Anwendung auf die Versicherung von Betriebsstätten also nicht gesperrt ist. Im Auffangtatbestand ist u.a. geregelt, dass die Versicherung mit Bezug auf in Deutschland belegene Betriebsstätten deutsche Steuerbarkeit auslöst.

In Tz. IV legt das BMF seine Sichtweise dar, wie § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG im Verhältnis zu § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 VersStG auszulegen ist. Da eine Betriebsstätte zivilrechtlich nicht Eigentümer von Gegenständen wie Grundstücken, Gebäuden und Fahrzeugen sein kann, könne sich die Versicherung einer Betriebsstätte auch nie auf derartige Gegenstände beziehen. Es handele sich dann um die Versicherung von Risiken gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VersStG. Diese Systematik ist auch bei der Versicherung von im Drittland ansässigen Konzerngesellschaften zu beachten: Grds. unterliegen diese Risiken nicht der deutschen VersSt, da die versicherte Person nicht in Deutschland ansässig ist (§ 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG i.V.m. § 1 Abs. 5 VersStDV). Umfasst die Generalpolice aber auch im Drittland gelegene Sonderrisiken wie Grundstücke oder Fahrzeuge, soll insoweit Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VersStG bestehen (vgl. Tz. VIII). Letzteres erscheint systematisch zweifelhaft (s.u.).

Das BMF vertritt nun explizit die Auffassung, „Versicherung einer … Betriebsstätte“ gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG sei nicht anders auszulegen als „Betriebsstätte…, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht“ gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG (Auffangtatbestand). Grund für den unterschiedlichen Wortlaut sei die Anlehnung des Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG an den Wortlaut von Art. 13 Nr. 13 d ii der Richtlinie. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG beruht demgegenüber nicht auf einer Zuweisung des Besteuerungsrechts durch Richtlinienrecht. Diese mögliche Motivation des Gesetzgebers für die Wahl des unterschiedlichen Gesetzeswortlauts ergibt sich jedoch nicht aus der Gesetzesbegründung, so dass sich bei Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG möglicherweise ein engerer Anwendungsbereich als der des Auffangtatbestands ergibt (vgl. Voß in DStR, 2021, 377).

Lt. BMF können die Betriebsstätten-Risiken i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG die mit der Ausübung der Geschäftstätigkeit verbundenen Risiken für die Betriebsstätte und für die ihr angehörenden Personen, aber auch für Dritte betreffen, z. B. die Betriebsstättenhaftpflichtversicherung, die Berufshaftpflichtversicherung für Angehörige der Betriebsstätte oder auch die Auslandsunfallversicherung für in ein Drittland für einen längeren Zeitraum entsandte Arbeitnehmer, die dort eine Anlage aufbauen und eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO bilden.

In Tz. V weist das BMF darauf hin, dass und wie die im Einzelfall versicherten Risiken unter die Nummern 1 bis 4 von § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG zu subsumieren sind. Hier stellt sich die Frage der praktischen Bedeutung, wenn alle fraglichen Risiken im Ergebnis in Deutschland steuerbar sind.

In Tz. VI und VII nimmt das BMF Stellung zur versicherungsteuerlichen Einordnung der Versicherung von im Drittland ansässigen Konzerngesellschaften. Es wird klargestellt, dass die Versicherung dieser Risiken nicht unter § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG fällt. Außerdem wird erläutert, wann das BMF im Fall von versicherten Betriebsstätten der Konzerngesellschaft eines deutschen VN einen Fall von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG annimmt: Unabhängig davon, ob die Konzerngesellschaft in Deutschland, im EWR-Ausland oder im Drittland ansässig ist, unterliegt die Versicherung von deren Betriebsstätten im Drittland nie der Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG, wenn auch die Versicherung der Konzerngesellschaft selbst (Hauptgeschäftsstelle/Zentrale) Gegenstand desselben Versicherungsvertrages ist. Unter § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG fallen also positiv formuliert lediglich folgende Fallgruppen:

  • Versicherung einer im Drittland belegene Betriebsstätte eines deutschen VN.
  • Versicherung einer im Drittland belegenen Betriebsstätte einer Konzerngesellschaft eines deutschen VN, wobei sich der Versicherungsschutz nicht auch auf diese Konzerngesellschaft (Hauptgeschäftsstelle/Zentrale) erstreckt.

Das BMF sieht danach einen maßgeblichen Unterschied zwischen der Drittlands-Betriebsstätte des VN und der Drittlands-Betriebsstätte einer Konzerngesellschaft des VN bei der Subsumtion unter § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG. Anscheinend begründet es diese Differenzierung damit, dass bei der Versicherung einer Konzerngesellschaft eine Prüfung des Auffangtatbestandes (§ 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG) erforderlich ist und ein Rückgriff auf § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG damit systematisch gesperrt ist. Dieser Überlegung stringent folgend, dürften aber auch andere Sonderrisiken einer versicherten Drittlands-Konzerngesellschaft nicht gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 VersStG (Grundstücke und Fahrzeuge im Drittland) zur Steuerbarkeit führen können. Dies stellt das BMF in Tz. VIII jedoch ausdrücklich anders dar. Insoweit sehen wir einen nicht begründeten Systembruch in der Auslegung und Anwendung von § 1 VersStG.