Ziel der geplanten Änderungen ist u.a. eine effizientere Gestaltung der Entlastungs- und Erstattungsverfahren beschränkt Steuerpflichtiger beim Bundezentralamt für Steuern in Bezug auf Kapitalertragsteuer und Abzugssteuern nach § 50a EStG sowie Vermeidung von Missbrauch und Betrug im Bereich der Kapitalertrag- und Abzugsteuer.
Im Folgenden werden insbesondere die geplanten Änderungen im Bereich der Kapitalertrag- und Abzugsteuer dargestellt. Weitere Regelungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, betreffen Anpassungen des Umwandlungssteuer- und Investmentsteuergesetzes, des Außensteuergesetzes und der Abgabenordnung.
Bisher haben beschränkt Steuerpflichtige die Möglichkeit, über ein Erstattungsverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Entlastung von Kapitalertragsteuer und Abzugsteuer auf Basis der Regelungen des anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens oder unionsrechtlicher Vorgaben zu erreichen.
Da die vorhandenen Verfahren in ihrer derzeitigen Ausgestaltung missbrauchs- und betrugsanfällig sind, sieht der Regierungsentwurf u.a. folgende Maßnahmen vor:
- Reduzierung und Bündelung der bestehenden Entlastungsverfahren gem. § 50d EStG für ausländische Steuerpflichtige in § 50c EStG-E
- Digitalisierung des Entlastungsverfahrens beim BZSt für Antrag, Steuerbescheinigung und Bescheid
- Umfangreiche Erweiterung bestehender Informationspflichten im Rahmen des Steuerbescheinigungs- und Datenübermittlungsverfahrens
- Haftungsverschärfung für die Aussteller von Steuerbescheinigungen
- Neufassung der Entlastungsberechtigung beschränkt Steuerpflichtiger in § 50d EStG-E (sog. Anti-Treaty-Shopping rules)
Reduzierung und Digitalisierung der Verfahren
Die bestehenden Entlastungsverfahren nach § 50d EStG sollen künftig in § 50c EStG-E überführt werden. Die Möglichkeit der rückwirkenden Freistellungsbescheinigung oder das bisherige Kontrollmeldeverfahren – sind in § 50c EStG-E nicht mehr enthalten. Die Frist für einen Erstattungsantrag beträgt weiterhin vier Jahre, auf Basis des Entwurfs endet sie jedoch nicht vor Ablauf eines Jahres (bisher sechs Monate) seit Entrichtung der Steuer und nicht vor Ablauf der in dem jeweiligen DBA vorgesehenen Frist.
Darüber hinaus werden mit dem Gesetzesentwurf einige vorbereitende Maßnahmen für eine vollständig digitalisierte Antragsbearbeitung beim BZSt ab 2024 vorgenommen. § 50c EStG-E sieht daher künftig u.a. die elektronische Antragstellung sowie den elektronischen Bescheidabruf vor.
Erweiterte Angaben in Steuerbescheinigungen und Kapitalertragsteuer-Datenbank
Der Entwurf beabsichtigt zudem die Neufassung eines § 45b EStG-E hinsichtlich ergänzender Angaben zu Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer. Demnach hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle insbesondere bei Kapitalerträgen aus girosammelverwahrten Aktien im Rahmen der Erstellung der Steuerbescheinigung weitreichende, ergänzende Angaben zu machen. Die ausgestellten Steuerbescheinigungen sollen künftig u.a. eine einmalig zu vergebende Ordnungsnummer erhalten, deren Inhalt und Struktur von den Finanzbehörden vorgegeben wird. Zudem sind detaillierte Informationen zu Wertpapiergeschäften – wie etwa der Handelstag, der vereinbarte und tatsächliche Abwicklungstag sowie die Stückzahl bei der Anschaffung von Wertpapieren - anzugeben.
Zusätzlich zu den erweiterten Angaben in den Steuerbescheinigungen sollen die auszahlenden Stellen dem BZSt gem. § 45c EStG-E jährlich elektronische Meldungen über die Kapitalerträge je Wertpapiergattung sowie weitere Informationen, wie z.B. die Konto- und Depotnummer sowie etwaige Kompensationszahlungen mitteilen. All diese Informationen dienen dem Aufbau einer sog. Kapitalertragsteuer-Datenbank, um missbräuchliche Gestaltungen in der Zukunft zu verhindern, bzw. schneller aufzudecken.
Die Kapitalertragsteuer-Datenbank der Finanzverwaltung soll zudem um Informationen erweitert werden, wenn ein Steuerabzug nicht in voller Höhe erfolgt ist oder vom Steuerabzug gänzlich Abstand genommen wurde. Auszahlende Stellen haben daher dem BZSt auch Informationen zu übermitteln, wenn keine Steuerbescheinigung erstellt wurde. Es ist dabei zu beachten, dass die neuen Regelungen des §§ 45b und 45c EStG-E sowohl für beschränkt als auch für unbeschränkt Steuerpflichtige gelten sollen.
Neben den Finanzinstituten, die als auszahlende Stellen Steuerbescheinigungen erstellen und gem. § 45b EStG-E jährliche Meldungen an das BZSt zu übermitteln haben, regelt der Gesetzesentwurf auch eine Vorschrift für inländische börsennotierte Gesellschaften. Solche Gesellschaften, die bereits nach § 67d AktG Informationen über ihre Aktionäre zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses verlangen müssen, haben diese Informationen ebenfalls zum Abgleich unverzüglich elektronisch an das BZSt zu übermitteln.
Haftungsverschärfung für Aussteller von Steuerbescheinigungen
Der Regierungsentwurf sieht darüber hinaus auch eine Haftungsverschärfung für die Aussteller von Steuerbescheinigungen vor. Demnach erweitert sich nach § 45a Abs. 7 EStG-E künftig die Haftung des Ausstellers auch auf die ergänzenden Angaben nach § 45b EStG-E. Weitreichendere Folgen soll der Gesetzesentwurf zudem hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme haben. Bisher sieht § 45a Abs. 7 S. 3 EStG zwei Fälle vor, in denen eine Haftung des Ausstellers einer Steuerbescheinigung ausgeschlossen ist. Mit der Streichung dieser Ausnahmefälle verschärft der Gesetzgeber die Haftung für fehlerhaft ausgestellte Bescheinigungen, um in Anbetracht der hohen Bedeutung der Steuerbescheinigungen im Erstellungsprozess eine gebotene Sorgfalt zu erreichen. Durch die Streichung der Ausnahmetatbestände tritt künftig die Haftung des Ausstellers der Bescheinigung neben die Haftung der Schuldner der Kapitalerträge.
Anmerkungen
Der Regierungsentwurf zum Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz sieht umfangreiche Gesetzesänderungen vor, die insbesondere Auswirkungen auf Kapitalerträge auszahlende Stellen haben wird.
Eine Überprüfung in Hinblick auf die geplanten Änderungen bestehender Kapitalertragsteuer- sowie Steuerbescheinigungsprozesse bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten ist daher auch aufgrund der geplanten Änderungen bei der Haftungsinanspruchnahme zwingend erforderlich. Die auf Basis des Regierungsentwurfs geplanten umfangreichen Informationspflichten stellen eine weitere, große administrative und prozessuale Herausforderung für Finanzinstitute dar, die nur durch weitgehend automatisierte Prozesse erfüllt werden können.